Baukunst-19. Architekturbiennale in Venedig: Wie KI und Forschung Städte retten sollen
©"Canal Café"- Participants- Aaron Betsky Diller Scofidio + Renfro Natural Systems Utilities SODAI

19. Architekturbiennale in Venedig: Wie KI und Forschung Städte retten sollen

25.02.2025
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Ignatz Wrobel

Carlo Ratti und die 19. Architekturbiennale: Architektur als Anpassung an die Klimakrise

Carlo Ratti, Architekt, Ingenieur und Direktor des Senseable City Lab am MIT, ist der Kurator der 19. Architekturbiennale in Venedig. Sein Fokus liegt auf einer architektonischen Antwort auf den Klimawandel, die nicht nur Emissionen reduziert, sondern die gebaute Umwelt aktiv an die neuen klimatischen Realitäten anpasst. Die Ausstellung mit dem Titel „Intelligens. Natural. Artificial. Collective.“ soll innovative Lösungen präsentieren, die wissenschaftliche Erkenntnisse mit intelligenter Stadtplanung und Technologie verbinden.

Von Mitigation zur Adaption: Ein Paradigmenwechsel

Bisher stand in der Architektur oft die Mitigation im Vordergrund – also die Reduktion der Klimabelastung durch nachhaltige Materialien und energieeffiziente Gebäude. Ratti fordert nun eine Abkehr von dieser einseitigen Perspektive hin zur Adaption, also der aktiven Anpassung urbaner Räume an eine sich verändernde Umwelt. „Wir müssen neu darüber nachdenken, wie wir für eine veränderte Welt planen“, betont er.

Datengetriebene Stadtplanung als Schlüssel

Als Pionier der Big-Data-Analyse in der Architektur setzt Ratti auf den gezielten Einsatz von Sensoren, Simulationen und KI-gestützten Analysen, um urbane Räume effizienter und widerstandsfähiger zu gestalten. Die Biennale wird deshalb stark wissenschaftlich ausgerichtet sein – mit Daten als Grundlage für neue architektonische Entwürfe, anstatt ausschließlich auf visuelle Darstellungen zu setzen.

Das „Venice Living Lab“: Die Stadt als Experimentierfeld

Da der zentrale Pavillon in den Giardini aufgrund von Renovierungsarbeiten nicht genutzt werden kann, dehnt Ratti die Biennale auf die gesamte Stadt aus. Unter dem Namen „Venice Living Lab“ werden Projekte in verschiedenen Teilen Venedigs gezeigt, die architektonische Anpassungsstrategien an den steigenden Meeresspiegel und zunehmende Wetterextreme erforschen.

Ein Beispiel ist das „Canal Café“, eine dezentrale Filteranlage, die Kanalwasser so aufbereitet, dass es für die Espresso-Herstellung genutzt werden kann – eine symbolische Demonstration nachhaltiger Wassertechnologien.

Interdisziplinäres Arbeiten: Architektur als kollektiver Prozess

Die Ausstellung legt besonderen Wert auf interdisziplinäre Zusammenarbeit. Mit über 750 Teilnehmenden wird die Biennale 2025 die größte ihrer Art sein. Ratti bringt Expertinnen und Experten aus Architektur, Naturwissenschaften, Technik und Kunst zusammen, um gemeinsam an neuen Konzepten zu arbeiten.

  • 280 Projekte, darunter viele, die sich mit nachhaltigen Baumaterialien und digitalen Stadtmodellen befassen.

  • 350 generationsübergreifende Teams, um unterschiedliche Perspektiven zu integrieren.

  • 250 von Frauen geführte Teams, um Diversität und alternative Planungsansätze zu fördern.

Neue Perspektiven: Architektur ohne Architekten?

Ein weiteres Thema, das Ratti adressiert, ist die Bedeutung indigener und traditioneller Bauweisen. Projekte wie der Manameh Pavillon oder Terra Preta zeigen, wie lokales Wissen genutzt werden kann, um klimaresiliente Architektur zu schaffen.

Zudem wird das Konzept „Architektur ohne Architekten“ erforscht – eine Idee, die sich mit selbstorganisierten Bauweisen und partizipativen Planungsprozessen auseinandersetzt.

Fazit: Eine Biennale des Wandels

Die 19. Architekturbiennale unter der Leitung von Carlo Ratti dürfte eine der richtungsweisendsten der letzten Jahrzehnte werden. Sie setzt nicht nur auf Architektur als künstlerischen Ausdruck, sondern als Handlungsfeld für die dringendsten Herausforderungen unserer Zeit. Ratti zeigt, dass die Zukunft der Architektur nicht in reinen Designs, sondern in datenbasierten, nachhaltigen und adaptiven Konzepten liegt.