Baukunst-Weißer Würfel, bunte Seele: Richard Meiers Museumsbau trifft auf Zénatis explosive Farbwelt
©Jan-Philipp Thiele/Unsplash

Weißer Würfel, bunte Seele: Richard Meiers Museumsbau trifft auf Zénatis explosive Farbwelt

19.12.2024
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stu.ART

Wenn Form und Farbe verschmelzen: Richard Meiers Museumsbau im Dialog mit Hamid Zénatis Werken

In der Frankfurter Museumswelt ereignet sich derzeit eine bemerkenswerte Begegnung: Richard Meiers puristischer Museumsbau aus den 1980er Jahren wird zur Bühne für die explosiven Farbwelten des deutsch-algerischen Künstlers Hamid Zénati. Diese Symbiose von strenger Architektur und ausdrucksstarker Kunst eröffnet einen spannenden Dialog zwischen zwei scheinbar gegensätzlichen ästhetischen Konzepten.

Weiße Moderne trifft auf Farbenrausch

Das Museum für Angewandte Kunst präsentiert sich als Meisterwerk der Postmoderne. Der 1934 geborene Richard Meier, einst Mitglied der legendären „New York Five„, schuf hier ein Ensemble, das die Traditionen des frühen Le Corbusier gekonnt aufgreift. Der L-förmige Komplex aus drei präzise gesetzten Kuben umschließt die historische Villa Metzler wie eine schützende Hand. Die charakteristische weiße Farbgebung, das Markenzeichen Meiers, verleiht dem Bau seine zeitlose Eleganz.

Licht als architektonisches Element

Besonders beeindruckend zeigt sich die Kunstfertigkeit des Architekten im Umgang mit natürlichem Licht. Nach der Renovierung 2013 erstrahlen die großzügigen Ausstellungsräume wieder in ihrer ursprünglichen Konzeption. Die geschickt platzierten Fensteröffnungen schaffen einen fließenden Übergang zwischen Innen- und Außenraum, während eine zentrale Rampe die verschiedenen Ebenen elegant miteinander verbindet.

Eklektische Verwandtschaften

In diesen lichtdurchfluteten Räumen entfaltet sich nun die Ausstellung „Eclectic Affinities„. Die Kuratorinnen Anna Schneider und Mahret Kupka haben rund 200 Arbeiten Zénatis mit fast 400 Objekten aus der hauseigenen Sammlung in einen spannungsreichen Dialog gebracht. Die Ausstellung, die bis Januar 2025 zu sehen ist, sprengt bewusst die Grenzen zwischen angewandter und bildender Kunst.

Zwischen den Welten

Zénatis Werk, das sich durch eine überbordende Formenfülle und intensive Farbigkeit auszeichnet, trifft hier auf postmodernes Design wie Ettore Sottsass‘ „Carlton“-Regal und ausgewählte Jugendstilvasen. Diese ungewöhnliche Kombination offenbart überraschende Parallelen in der Verwendung von Naturformen und Mustern über verschiedene Epochen hinweg.

Architektur als Vermittler

Bemerkenswert ist, wie Meiers Architektur diese verschiedenen Kunstformen zusammenführt. Die klare Gliederung der Räume und das durchdachte Lichtkonzept schaffen einen neutralen Rahmen, der die unterschiedlichen ästhetischen Ansätze zur Geltung bringt. Die weiße Architektur wird zum vermittelnden Element zwischen Tradition und Innovation, zwischen Ost und West, zwischen Funktion und Dekoration.

Zeitlose Relevanz

Die aktuelle Ausstellung unterstreicht eindrucksvoll die zeitlose Qualität von Meiers Museumsbau. Die Architektur beweist ihre Fähigkeit, sich unterschiedlichen kuratorischen Konzepten anzupassen und dabei ihre eigene gestalterische Kraft zu bewahren. Gleichzeitig zeigt sich, wie fruchtbar der Dialog zwischen strenger architektonischer Form und freier künstlerischer Expression sein kann.

Der Bau des Museums für Angewandte Kunst demonstriert einmal mehr, dass große Architektur mehr ist als die Summe ihrer funktionalen Aspekte. Sie schafft Räume für Begegnungen, für den Dialog zwischen Kulturen und Kunstformen, für das Zusammenspiel von Tradition und Innovation. In der Verbindung mit Zénatis Werk offenbart sich die besondere Qualität dieser Architektur: Sie ist nicht nur Hülle, sondern aktiver Teil des kuratorischen Diskurses.