
Zwischen Prestige und Stillstand
In Frankfurts feinem Holzhausenviertel steht eine Villa seit über zwanzig Jahren leer – millionenschwer, denkmalgeschützt, begehrt und dennoch unbewohnt. Kein Einzelfall. Luxusimmobilien mit jahrzehntelangem Leerstand prägen das Stadtbild nicht nur in Hessen. Häufig sind es vertrackte Eigentumsverhältnisse, Erbengemeinschaften mit unterschiedlichen Interessen oder der Denkmalschutz, der potenzielle Käuferinnen und Käufer abschreckt. Der Fall der „Villa Jako“ in Hamburg-Blankenese, einst im Besitz von Karl Lagerfeld, illustriert das Dilemma besonders eindrücklich: außergewöhnliches Objekt, keine Nachfrage.
Emotion schlägt Marktlogik
Verschiedene Makler betonen, dass wirtschaftlich irrationale, oft emotional motivierte Entscheidungen von Erbinnen und Erben Verkäufe blockieren. Der Preis ist nicht das Problem – die Vermittlung schon. Dabei gibt es rechtlich durchaus Möglichkeiten, festgefahrene Erbengemeinschaften aufzulösen, etwa durch Testamentsvollstreckung oder gerichtliche Erbteilungsklagen.
Leerstand als politisches Thema
Weniger juristisch als gesellschaftlich betrachtet liegt der eigentliche Skandal im Makrobild: Wohnraum ist knapp, besonders in Ballungsräumen. In Hessen standen laut Zensus 2022 über 122.000 Wohnungen leer, viele davon länger als ein Jahr – in Frankfurt allein fast 13.000. Der bundesweite Durchschnitt liegt bei 4,3 Prozent Leerstand, Hessen liegt knapp darunter. Aber der Trend zeigt nach oben.
Gesetz mit Signalwirkung
Darauf reagiert die hessische Landesregierung mit einem neuen Gesetzesentwurf. Wohnungsbauminister Kaweh Mansoori (SPD) will „grundlosen Leerstand“ nicht länger hinnehmen und den Kommunen die nötige Rechtsgrundlage geben, aktiv einzugreifen. Das Ziel: Städte mit angespanntem Wohnungsmarkt sollen künftig Leerstandssatzungen erlassen dürfen. Vorgesehen ist eine maximal sechsmonatige Leerstandsdauer, Ausnahmen nur bei triftigen Gründen wie Sanierungen. Wer sich nicht daran hält, begeht eine Ordnungswidrigkeit.
Eigentum verpflichtet – wirklich?
Der politische Wille ist deutlich. Auch Wiesbadens Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD) begrüßt die Initiative. Er sieht darin eine Ergänzung zu Neubau und Nachverdichtung – eine dritte Säule der Wohnraumpolitik. Doch nicht alle sind überzeugt: Der Verband Haus & Grund warnt vor bürokratischen Hürden, die Investitionen ausbremsen könnten. Sprecher Jens Jacobi behauptet sogar, Leerstand sei in Frankfurt kein reales Problem.
Vom Einzelfall zur Systemfrage
Der Streit um das Gesetz rührt an die Grundfeste der Eigentumsdebatte. Artikel 14 des Grundgesetzes verpflichtet Eigentum zum Gemeinwohl. Doch was heißt das konkret? Der Leerstand einer Villa im Holzhausenviertel mag individuell begründbar sein, systematisch jedoch unterminiert er die Glaubwürdigkeit staatlicher Wohnungspolitik.
Hessen als Experimentierfeld
Das hessische Gesetz könnte ein Modell sein, das andere Bundesländer übernehmen – oder ablehnen. Die kommenden Monate werden zeigen, ob Kommunen das neue Instrument nutzen und ob es wirkt. Sicher ist: Die politische Debatte um Eigentum, Wohnraummangel und Verantwortung hat eine neue Dimension erreicht. Nicht nur in Hessen.

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