Baukunst-Zurück in die Zukunft: Hohenems' behutsamer Weg zur preisgekrönten Altstadt
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Zurück in die Zukunft: Hohenems‘ behutsamer Weg zur preisgekrönten Altstadt

25.09.2024
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stu.ART

 

In der beschaulichen Vorarlberger Stadt Hohenems hat sich in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Transformationvollzogen. Was einst als vernachlässigtes Stadtzentrum galt, erstrahlt heute in neuem Glanz und wurde kürzlich mit dem renommierten Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit 2024 ausgezeichnet. Diese Ehrung unterstreicht die gelungene Symbiose aus historischer Substanz und zeitgemäßer Stadtentwicklung.

Von der Geisterstadt zum lebendigen Zentrum

Noch vor einem Jahrzehnt glich die Marktstraße, das Herzstück von Hohenems, einer Geisterstadt. Leerstände prägten das Bild, und der Durchgangsverkehr von täglich 5500 Fahrzeugen zehrte an der Lebensqualität. Heute präsentiert sich die Altstadt als urbanes Gesamtkunstwerk, in dem Cafés, Restaurants und individueller Einzelhandel florieren. Die Zahl der Beschäftigten im Stadtzentrum stieg von ehemals 30 auf beeindruckende 185 – ein deutliches Zeichen der wirtschaftlichen Revitalisierung.

Architektur im Dienste der Gemeinschaft

Der Wandel in Hohenems ist das Ergebnis einer umsichtigen Planung und des Zusammenspiels verschiedener Akteure. Besonders hervorzuheben ist die Rolle des Projektentwicklers Markus Schadenbauer, der mit einem innovativen Investorenmodell die Sanierung historischer Gebäude vorantrieb und gleichzeitig den Einzelhandel förderte. „Wir haben uns Zeit gelassen, die Häuser sukzessive in enger Kooperation mit dem Denkmalamt saniert“, erläutert Schadenbauer seinen Ansatz.

Die architektonische Qualität der Sanierungen und Neubauten ist beeindruckend. Renommierte Architekturbüros wie Bernardo Bader, Nägele Waibel und Georg Bechter setzten die Projekte um. Dabei wurde großer Wert auf hochwertige Materialien und handwerkliche Ausführung gelegt – Plastikfenster und Styroporfassaden sucht man hier vergebens.

Nachhaltigkeit als Leitprinzip

Die Nachhaltigkeit des Projekts zeigt sich in vielfältiger Weise. Neben der energetischen Sanierung der Gebäude wurde auch die Verkehrsführung neu gedacht. Eine Begegnungszone reduzierte den Durchgangsverkehr um 75 Prozent, was die Luftqualität und Aufenthaltsqualität im Zentrum deutlich verbesserte. Die Förderung regionaler Wertschöpfungsketten, beispielsweise durch die Ansiedlung eines Blumenladens mit Produkten aus dem Rheintal, unterstreicht den ganzheitlichen Ansatz.

Bürgerbeteiligung als Schlüssel zum Erfolg

Ein wesentlicher Faktor für den Erfolg war die intensive Einbindung der Bürgerinnen und Bürger. Bernd Federspiel, Leiter des Bereichs Stadtplanung, betont: „Das Interesse der Bürgerinnen an ihrer Innenstadt war enorm, sie wünschten sich wieder Lebensplätze im öffentlichen Raum.“ Dieser partizipative Ansatz schuf eine breite Akzeptanz für die Veränderungen und stärkte das Gemeinschaftsgefühl.

Vorbild für andere Städte

Die Jury des Staatspreises würdigte besonders die ganzheitliche Herangehensweise in Hohenems. Von 83 eingereichten Projekten wurden nur drei ausgezeichnet, darunter die Altstadt von Hohenems. Bundesministerin Leonore Gewessler lobte bei der Preisverleihung die wachsende Zahl von Sanierungen und Weiterentwicklungen von Bestandsgebäuden.

Der Erfolg von Hohenems zeigt exemplarisch, wie historische Stadtkerne revitalisiert werden können, ohne ihre Identität zu verlieren. Die Kombination aus behutsamer Sanierung, wirtschaftlicher Belebung und Förderung des sozialen Zusammenhalts könnte als Blaupause für ähnliche Projekte in anderen Städten dienen.

Kritische Betrachtung und Ausblick

Trotz des überwältigenden Erfolgs bleiben Herausforderungen bestehen. Die Gentrifizierung des Stadtzentrums und mögliche Mietsteigerungen müssen im Auge behalten werden, um die soziale Durchmischung zu erhalten. Zudem wird sich zeigen, ob das Konzept langfristig tragfähig ist und ob der lokale Einzelhandel dem Druck des Online-Handels standhalten kann.

Dennoch überwiegen die positiven Aspekte. Hohenems hat bewiesen, dass Stadtentwicklung mehr sein kann als bloße Verschönerung. Sie kann Lebensqualität steigern, wirtschaftliche Impulse setzen und gleichzeitig ökologische Verantwortung wahrnehmen. In Zeiten des Klimawandels und der Urbanisierung bietet das Beispiel Hohenems wertvolle Denkanstöße für eine zukunftsfähige Stadtplanung.

Die Auszeichnung mit dem Staatspreis ist nicht nur eine Würdigung der bisherigen Leistungen, sondern auch ein Ansporn, den eingeschlagenen Weg konsequent weiterzugehen. Hohenems zeigt eindrucksvoll, dass der Blick zurück in die Geschichte einer Stadt der Schlüssel für ihre Zukunft sein kann.