Baukunst-Zwischen Tradition und Abrissbirne: Das Drama um Österreichs Schulbau-Juwel
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Zwischen Tradition und Abrissbirne: Das Drama um Österreichs Schulbau-Juwel

27.11.2024
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Das Ende einer pädagogischen Vision? Der Kampf um Viktor Hufnagls Meisterwerk in Weiz

 

Revolution in Beton

Als 1968 die neue Mittelschule in der steirischen Kleinstadt Weiz ihre Türen öffnete, markierte dies einen Paradigmenwechsel im österreichischen Schulbau. Viktor Hufnagls Hallenschule brach radikal mit dem autoritären „Kasernentyp“ des 19. Jahrhunderts. Stattdessen schuf er einen dreigeschossigen Bau, der mit seiner zentralen Halle und den darum gruppierten Klassenräumen neue Maßstäbe setzte.

Architektonische Meisterleistung

Die Kontrastarchitektur des Gebäudes besticht durch ihre Gegensätze: massiver Sichtbeton trifft auf lichtdurchflutete Räume, ein strenges Quadratraster begegnet einer fast barock anmutenden Prunktreppe. Statisch wagte Hufnagl mit wenigen Stützen und breiten Auskragungen einen mutigen Schritt. Das Gebäude verkörpert den progressiven pädagogischen Geist seiner Entstehungszeit in Betonpoesie.

Zwischen Anerkennung und Abrissbirne

Die Wertschätzung für diesen Meilenstein der Schularchitektur war von Anfang an groß: Vom Bauherrenpreis bis zur GerambRose 2020 erhielt das Gebäude zahlreiche Auszeichnungen. Doch nun, nach 56 Jahren, zeigt sich der Zahn der Zeit: undichte Dächer und Fenster, veralteter Wärme-, Schall- und Brandschutz. Der Gemeinderat hat im Juni 2024 einen Antrag auf Aufhebung des Denkmalschutzes gestellt.

Der Kostenfaktor

Bürgermeister Ingo Reisinger (SPÖ) argumentiert mit Zahlen: Ein Gutachten beziffert die Sanierungskosten auf 50 bis 60 Millionen Euro, während ein Neubau mit etwa 30 Millionen Euro zu Buche schlagen würde. Allerdings existiert eine zweite Studie von Gangoly & Kristiner Architekten, die zu anderen Schlüssen kommt und die Sanierungsfähigkeit des Gebäudes bestätigt – wenn auch mit etwa elf Prozent höheren Kosten als ein Neubau.

Paradigmatischer Konflikt

Der Fall Weiz steht exemplarisch für den Umgang mit der Nachkriegsmoderne. Während mancherorts vorbildliche Sanierungen gelingen – wie bei der Pädagogischen Hochschule Salzburg – droht anderen Bauten der Abriss. Die erfolgreiche Sanierung des Weizer Gymnasiums, des „Zwillingsbaus“ der bedrohten Mittelschule, zeigt jedoch: Es geht, wenn der Wille da ist.

Fazit: Mehr als nur ein Gebäude

Der drohende Verlust dieses Architekturjuwels wäre mehr als nur der Abriss eines Schulgebäudes. Er würde einen wichtigen Zeitzeugen der österreichischen Bildungs- und Architekturgeschichte auslöschen. Die Debatte um Weiz verdeutlicht: Schulbau ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nicht allein unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet werden darf. Die Baukultur einer Gesellschaft zeigt sich gerade im Umgang mit ihrem architektonischen Erbe.Das Ende einer pädagogischen Vision? Der Kampf um Viktor Hufnagls Meisterwerk in Weiz