Baukunst-100 Jahre Bauhaus in Dessau – Ein Erbe der Moderne und ein Brennpunkt der Debatte
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100 Jahre Bauhaus in Dessau – Ein Erbe der Moderne und ein Brennpunkt der Debatte

24.10.2024
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Berthold Bürger

Ein Jahrhundert Bauhaus: Von der Revolution der Gestaltung zur weltweiten Anerkennung

Im Jahr 2025 feiert das Bauhaus in Dessau sein 100-jähriges Jubiläum. Die Kunstschule, die 1919 von Walter Gropius in Weimar gegründet wurde und 1925 nach Dessau umzog, gilt bis heute als eine der einflussreichsten Institutionen der Moderne. Ihre Vision, Kunst, Handwerk und Technik zu vereinen, hat die Architektur und das Design des 20. Jahrhunderts nachhaltig geprägt. Doch neben der Würdigung der Bauhaus-Ideen entzünden sich aktuell auch hitzige Debatten. Besonders die AfD in Sachsen-Anhalt nutzt das Jubiläum, um das Bauhaus als “Irrweg der Moderne” zu kritisieren. Dies wirft ein Schlaglicht auf die ideologischen Auseinandersetzungen um das Bauhaus-Erbe, das weit über die Grenzen Deutschlands hinaus Einfluss hatte  .

Die Anfänge: Eine Schule für die Gesellschaft

Walter Gropius’ Idee des Bauhauses entstand in der Weimarer Republik, einer Zeit des Umbruchs und der gesellschaftlichen Neuausrichtung nach dem Ersten Weltkrieg. Gropius wollte mit dem Bauhaus die Kluft zwischen Kunst und Handwerk überwinden und eine neue Ära funktionalen, gesellschaftlich relevanten Designs einläuten. Diese Vision manifestierte sich in klaren Linien, geometrischen Formen und einer strikten Reduktion auf das Wesentliche. Die Architekten und Designer des Bauhauses sahen ihre Aufgabe darin, praktische, funktionale und zugleich ästhetisch anspruchsvolle Lösungen zu schaffen, die der breiten Masse zugänglich waren . Diese Prinzipien fanden ihren architektonischen Ausdruck in den Bauhaus-Gebäuden in Dessau. Sie stehen exemplarisch für eine neue Art des Bauens, bei der Form und Funktion in einer minimalistischen Ästhetik verschmelzen. Zu den bekanntesten Bauwerken gehört das von Gropius entworfene Bauhaus-Gebäude, das bis heute als Meilenstein der modernen Architektur gilt.

Die AfD-Kritik: Ein Angriff auf die Moderne

Doch während das Bauhaus weltweit als revolutionärer Meilenstein gefeiert wird, sieht die AfD in Sachsen-Anhalt das Jubiläum als Gelegenheit, das Bauhaus zu attackieren. In einem Antrag, der im Landtag diskutiert wird, bezeichnet die AfD das Bauhaus als “Irrweg der Moderne”. Für die Partei steht die Bauhaus-Architektur für Entfremdung und “menschenfeindliche” Gestaltung, die den regionalen Traditionen entgegenstehe. Besonders kritisiert wird die radikale Vereinfachung der Formen und der Verlust individueller und regionaler Besonderheiten . Diese Kritik erinnert stark an die Angriffe, die das Bauhaus bereits in den 1930er Jahren erlebte. Schon die Nationalsozialisten schlossen 1933 das Bauhaus, das sie als “entartet” und unvereinbar mit ihren Idealen ansahen. Die AfD greift in ihrer Argumentation auf ähnliche Rhetorik zurück und fordert eine kritischere Auseinandersetzung mit dem Bauhaus-Erbe. Kulturstaatsministerin Claudia Roth sieht in diesen Aussagen deutliche Parallelen zu den Anfeindungen der NSDAP, was sie in einem Interview als “alarmierend” bezeichnet .

Der historische Kontext: Innovation und Verfolgung

Die Geschichte des Bauhauses ist eng mit den politischen und gesellschaftlichen Veränderungen der Weimarer Republik und der nationalsozialistischen Herrschaft verbunden. Nach dem Umzug von Weimar nach Dessau konnte die Schule in den ersten Jahren in Dessau ihre innovativsten Werke schaffen. Doch die politische Lage verschärfte sich, und die Nationalsozialisten schlossen 1932 das Bauhaus. Viele Künstler und Architekten mussten ins Exil gehen, wo sie die Bauhaus-Ideen weiter verbreiteten . Diese historischen Entwicklungen spiegeln sich auch in der heutigen Debatte wider. Die Kritik der AfD an der “Entfremdung” des Bauhaus-Stils und ihre Forderung nach einer Rückbesinnung auf “regionale Traditionen” weisen auf eine ähnliche ideologische Polarisierung hin, wie sie das Bauhaus schon in seiner Entstehungszeit erlebte .

Das Jubiläum: Feierlichkeiten und kritische Reflexion

Trotz der politischen Kontroversen wird das 100-jährige Jubiläum des Bauhauses mit einem umfangreichen Programm gefeiert. Geplant sind über 16 Monate hinweg verschiedene Ausstellungen, kulturelle Veranstaltungen und ein großes Stadtfest, das die Bedeutung des Bauhauses für die Architektur und das Design hervorhebt. Zu den Höhepunkten zählt die Verwirklichung eines Entwurfs von Walter Gropius für einen Schweinestall im Dessauer Tierpark – ein Symbol für die bodenständige und funktionale Seite der Bauhaus-Architektur. Die Stiftung Bauhaus Dessau betont, dass das Jubiläumsprogramm keine “einseitige Glorifizierung” des Bauhauses vorsieht. Vielmehr soll es eine konstruktiv-kritische Auseinandersetzung mit dem Bauhaus-Erbe geben. Die Direktorin der Stiftung, Barbara Steiner, hebt hervor, dass das Bauhaus immer in einem historischen und sozialen Kontext betrachtet werden müsse. Es sei notwendig, sowohl die Errungenschaften als auch die Herausforderungen, die das Bauhaus mit sich brachte, zu beleuchten  .

Bauhaus und Nachhaltigkeit: Eine aktuelle Perspektive

Neben den historischen und politischen Aspekten ist das Bauhaus heute auch in der Diskussion um Nachhaltigkeit relevant. Die minimalistischen Bauhaus-Prinzipien – Funktionalität, klare Linien und die Nutzung moderner Materialien wie Stahl und Glas – sind in der heutigen Architektur immer noch von großer Bedeutung. In einer Zeit, in der nachhaltiges Bauen und Ressourcenschonung immer wichtiger werden, bietet das Bauhaus mit seiner Reduktion auf das Wesentliche und seiner Betonung auf Funktionalität wichtige Impulse für die moderne Architektur . Die Ideen des Bauhauses finden sich heute in zahlreichen architektonischen und gestalterischen Ansätzen wieder, von minimalistisch gestalteten Wohnhäusern bis hin zu modernen, nachhaltigen Gebäudekonzepten. Dieser Einfluss zeigt, dass die Ideen, die vor 100 Jahren in Dessau entstanden, nichts an Aktualität verloren haben und auch in Zukunft die architektonische Landschaft prägen werden.

Fazit: Ein Erbe, das in die Zukunft weist

Das Bauhaus-Jubiläum 2025 ist nicht nur eine Gelegenheit, auf 100 Jahre revolutionärer Gestaltung zurückzublicken, sondern auch eine Chance, die heutigen Debatten über Architektur, Design und gesellschaftliche Werte zu reflektieren. Die politische Instrumentalisierung des Bauhauses durch die AfD zeigt, dass die Ideen der Moderne auch heute noch polarisieren. Doch die weltweite Anerkennung des Bauhauses als UNESCO-Weltkulturerbe und die zahlreichen Veranstaltungen zum Jubiläum betonen die ungebrochene Bedeutung dieser Bewegung für die Architektur und das Design. Das Bauhaus-Erbe ist lebendig – und es weist in die Zukunft  .