Das Haus vom Nikolaus

Fast jedem ist der Reim vertraut: „Das ist das Haus vom Ni-ko-laus.“ Doch die Herkunft des beliebten Kinderspiels und warum gerade der Nikolaus alias Weihnachtsmann namensgebend ist, bleibt ein Rätsel.

Die Spielanleitung besteht darin, ein Haus mit Dach in einem Zug aus exakt acht kurzen Linien zu zeichnen, ohne eine Linie zweimal zu durchlaufen. Während des Zeichnens begleitet ein acht Silben umfassender Satz: „Das-ist-das-Haus-vom-Ni-ko-laus.“

Das richtige Ergebnis zeigt ein Gebäude mit Spitz- oder Satteldach und einer Fassade, die von einem Kreuz mit diagonalen Balken durchquert wird. Die Zeichnung im Inneren erinnert an ein eigenartiges Fach- oder Strebewerk. Schon Kinder ab vier oder fünf Jahren werden mit diesem Denksport vertraut gemacht. Der Reiz liegt im Schwierigkeitsgrad, der sich aus der Vorgabe ergibt, keine Linie zu wiederholen. Abhängig davon, welchen der beiden mathematischen „Knoten“ man als Startpunkt wählt, ergeben sich 44 Lösungswege.

Der Name „Nikolaus“ könnte aufgrund der Dachform, die an eine Zipfelmütze oder Mitra erinnert, in Verbindung mit dem Gebäude stehen. Oder vielleicht aufgrund des Reims und der passenden Silbenzahl – irgendjemandem muss das Haus ja schließlich gehören, so die poetische Logik.

Die Ursprünge des Spiels sind bisher unklar. Manche Hinweise deuten darauf hin, dass es „uralt“ ist, doch genaue Daten fehlen. Möglicherweise führen die Spuren jedoch ins Mittelalter.

Kunsthistorisch betrachtet gibt es tatsächlich ein Haus des Nikolaus. Es handelt sich um eine Nikolauskapelle, die als reales Gebäude die Jahrhunderte überdauert hat. Sie befindet sich in Ulm im deutschen Südwesten, nahe des Steinhauses in der Neuen Straße 102. Beide wurden zu Beginn des 13. Jahrhunderts vom kaiserlichen Notar Marquard errichtet. Die Kapelle wird heute auch als „Eventlocation“ genutzt und gilt als ältester erhaltener Sakralbau der ehemaligen Reichsstadt. Die äußere Struktur ähnelt deutlich dem Haus vom Nikolaus, mit einem hochschlanken Rechteck und Spitzdach.

Die Binnenzeichnung des Spiels entspricht möglicherweise einer Stahlseilverspannung oder einem Kreuzanker, um es komplexer zu gestalten.

Wer das Rätsel mit dem Reim erfunden hat, bleibt ungeklärt. Es könnte ein Ulmer Bürger gewesen sein, der sich am Fenster gegenüber der Nikolauskapelle langweilte, den Umriss nachzeichnete und dabei den später berühmten Reimspruch murmelte. Anschließend bat er vielleicht seine Kinder, den Vorgang unter der erschwerenden Maßgabe zu wiederholen. Eben ein Kinderspiel…

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