Baukunst-Ein Hamburger Viertel plant seine Energiezukunft – Kultur und Wärme aus dem Bunker
©Lukas Menzel auf Unsplash

Ein Hamburger Viertel plant seine Energiezukunft – Kultur und Wärme aus dem Bunker

23.09.2024
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stu.ART

Vom Schutzraum zum Kraftwerk: Wie Altonas Bürger die Energiewende selbst in die Hand nehmen

In Hamburg-Altona verwandelt eine Bürgerinitiative einen ehemaligen Bunker in ein nachhaltiges Kraftwerk und Kulturzentrum. Ein Beispiel für bürgernahe Stadtentwicklung und kreative Umnutzung.

Ein gewaltiger grauer Klotz ragt in den Hamburger Himmel. Was einst als Schutzraum für Menschenleben diente, soll nun neues Leben in ein ganzes Quartier hauchen. Im Altonaer Stadtteil hat sich eine Gruppe engagierter Bürgerinnen und Bürger zusammengefunden, um einen ehemaligen Hochbunker in ein innovatives Heizkraftwerk und Kulturzentrumzu verwandeln. Das Projekt mit dem griffigen Namen „KulturEnergieBunkerAltonaProjekt“ (kurz: KEBAP) zeigt eindrucksvoll, wie bürgerschaftliches Engagement die Stadtentwicklung vorantreiben kann.

Von Bäumen und Visionen

Die Geschichte dieses ambitionierten Vorhabens beginnt an einem frostigen Dezembertag im Jahr 2009. Während die Alster unter einer Eisschicht erstarrte, erwachte in Altona der Widerstand gegen ein geplantes Kohlekraftwerk. Aktivistinnen und Aktivisten besetzten Bäume, um eine Fernwärmetrasse zu verhindern. Doch aus dem Protest erwuchs mehr als nur Ablehnung – es entstand die Vision einer nachhaltigen Energieversorgung für das eigene Viertel.

Mirco Beisheim, einer der Initiatoren, erinnert sich: „Wir fragten uns, wie wir unser Quartier klimaschonend heizen könnten.“ Die Idee einer Nahwärmeversorgung wurde geboren, unabhängig von großen Energiekonzernen und in den Händen der Anwohnerinnen und Anwohner.

Ein Bunker voller Möglichkeiten

Der Blick der Gruppe fiel auf einen ungenutzten Hochbunker am Rande des Walter-Möller-Parks. Das massive Bauwerk, ein Relikt des Zweiten Weltkriegs, sollte nicht nur Wärme produzieren, sondern auch kulturelles Leben ins Viertel bringen. „Es ist gut, dass man am Start die Marathonstrecke nicht vor Augen hat“, schmunzelt Beisheim. Was als Fünf-Jahres-Plan begann, entwickelte sich zu einem Langzeitprojekt voller Herausforderungen und Lernprozesse.

Die Umnutzung historischer Gebäude ist in der Architektur keine Seltenheit. Doch die Kombination aus Energiegewinnung und Kulturzentrum in einem ehemaligen Bunker ist außergewöhnlich. Die technischen Herausforderungen sind beträchtlich: Wie integriert man moderne Heiztechnik in die massive Betonhülle? Wie gestaltet man Räume, die einst zum Schutz vor Bomben dienten, zu einladenden Orten der Begegnung?

Von Biomasse zu Grundwasser

Die ursprüngliche Idee, Biomasse als Energiequelle zu nutzen, wurde im Laufe der Jahre überdacht. Heute setzt das Projekt auf eine Kombination aus Grundwasserwärme und einem geringen Anteil Biomasse. Diese Entwicklung zeigt die Flexibilität und Lernbereitschaft der Initiative.

Die technische Umsetzung ist dabei nur ein Aspekt des Projekts. Ebenso wichtig ist die soziale Komponente. Ralph Musielski, der regelmäßig Führungen durch den Bunker anbietet, betont: „Mit 40 großen und kleinen Menschen, Jugendlichen, die mir Löcher in den Bauch fragen, zwischen den Stockwerken hin- und herzulaufen und über das Gebäude zu sprechen, das ist großartig.“

Kultur als Bindeglied

Im Inneren des Bunkers offenbart sich die Vielfalt des Projekts. Neben technischen Installationen finden sich Räume für Kunstausstellungen, Workshops und soziale Begegnungen. Ein aufgebocktes Fahrrad treibt einen Smoothie-Mixer an, während in einem anderen Raum mit Mycel als potenziellem Dämmstoff experimentiert wird. Diese Mischung aus Hightech und Lowtech, aus Energiegewinnung und kulturellem Schaffen, macht den besonderen Reiz des Projekts aus.

Nathalie Plato, Vorstandsmitglied des KEBAP e.V., sieht in dem Projekt mehr als nur eine technische Lösung: „Ich wollte an etwas mitwirken, das für alle da ist.“ Diese Haltung spiegelt den inklusiven Charakter des Vorhabens wider. Es geht nicht nur darum, Wärme zu produzieren, sondern einen Ort zu schaffen, der die Gemeinschaft stärkt und zusammenbringt.

Herausforderungen und Zukunftsperspektiven

Trotz des Enthusiasmus und der breiten Unterstützung steht das Projekt vor Herausforderungen. Bürokratische Hürden und Finanzierungsfragen verzögern den Fortschritt. Die letzte Machbarkeitsstudie, für die 500.000 Euro zugesagt wurden, hängt in behördlichen Zuständigkeitsfragen fest.

Dennoch bleibt die Vision lebendig. Der Bunker soll nicht nur ein technisches Bauwerk sein, sondern ein lebendiger Ort der Begegnung, des Lernens und des kreativen Austauschs. Die Kombination aus erneuerbarer Energie und kulturellem Zentrum könnte Modellcharakter für ähnliche Projekte in anderen Städten haben.

Fazit: Ein Leuchtturm bürgerschaftlichen Engagements

Das KulturEnergieBunkerAltonaProjekt ist mehr als nur ein Heizkraftwerk. Es ist ein Beispiel dafür, wie Bürgerinnen und Bürger aktiv die Gestaltung ihres Lebensumfelds in die Hand nehmen können. In Zeiten der Klimakrise und des wachsenden Bewusstseins für Nachhaltigkeit zeigt das Projekt einen Weg, wie historische Bauten sinnvoll umgenutzt und gleichzeitig zukunftsweisende Technologien implementiert werden können.

Die Transformation des Bunkers von einem Symbol des Krieges zu einem Ort der Kultur und nachhaltigen Energiegewinnung ist ein kraftvolles Statement. Es zeigt, dass Stadtentwicklung nicht von oben diktiert werden muss, sondern aus der Mitte der Gesellschaft erwachsen kann.

Wenn in einigen Jahren aus dem grauen Koloss tatsächlich Wärme und Kultur strömen, wird Altona um einen Leuchtturm reicher sein – einen Leuchtturm des bürgerschaftlichen Engagements, der Nachhaltigkeit und der kreativen Umnutzung. Ein Projekt, das weit über die Grenzen Hamburgs hinaus strahlen und inspirieren könnte.