Baukunst-Fassaden-Oscar: Wie ein ungarischer Markt die europäische Architekturelite überraschte
So sehen Sieger aus - Markt in Pécs/Ungarn ©Baumit

Fassaden-Oscar: Wie ein ungarischer Markt die europäische Architekturelite überraschte

24.09.2024
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stu.ART

 

Fassaden mit Charakter: Die Gewinner der Baumit Life Challenge Awards 2024

In der pulsierenden Hauptstadt Sloweniens, Ljubljana, fand Mitte Mai die sechste Ausgabe der Baumit Life Challenge Awards statt. Der renommierte Wettbewerb, der alle zwei Jahre die innovativsten und ästhetisch ansprechendsten Fassadengestaltungen Europas auszeichnet, hat sich zu einem Gradmesser für zukunftsweisende Architektur entwickelt. Mit über 300 eingereichten Projekten aus ganz Europa verdeutlichte die diesjährige Veranstaltung einmal mehr die herausragende Bedeutung von Fassaden für die Gestaltung unserer gebauten Umwelt.

Der Gesamtsieger: Eine Hommage an die Geschichte

Das ungarische Projekt „Markt in Pécs“ setzte sich als Gesamtsieger durch und überzeugte die 13-köpfige internationale Jury mit seiner einzigartigen Verschmelzung von Tradition und Moderne. Die Architekten schufen eine beeindruckende Synthese aus römischer Basilika und orientalischem Basar, die gekonnt auf die reiche Historie der einstigen römischen Siedlung Pécs Bezug nimmt. Diese gelungene Verbindung verschiedener kultureller Einflüsse in einem zeitgenössischen Bauwerk zeigt exemplarisch, wie moderne Architektur respektvoll mit dem historischen Erbe umgehen und gleichzeitig neue Akzente setzen kann.

Kategoriensieger: Von Einfamilienhäusern bis zur historischen Renovierung

In der Kategorie Einfamilienhaus konnte ein Projekt aus Vilnius, Litauen, die Jury überzeugen. Die schlichte Eleganz der weißen, glatten Putzfassade beweist, dass auch Zurückhaltung in der Gestaltung große Wirkung erzielen kann. Es ist erfrischend zu sehen, wie hier mit minimalistischen Mitteln ein Maximum an ästhetischem Ausdruck erreicht wird.

Das spanische Projekt NSA13 „Twpeaks“ triumphierte in der Kategorie Mehrfamilienhaus. Die Fassadengestaltung dieses sozialen Wohnprojekts besticht durch einen cleveren Materialmix, der die sonst oft monotone Erscheinung großvolumiger Wohnbauten gekonnt aufbricht. Es ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie auch im sozialen Wohnungsbau anspruchsvolle Architektur realisiert werden kann.

Besonders erwähnenswert ist der Sieger in der Kategorie Thermische Sanierung, das Moxy Kaunas Center in Litauen. Die Kombination aus abgerundeten Fassadenelementen und einem grob strukturierten Putz mit handgefertigtem Muster verleiht dem Gebäude eine einzigartige Persönlichkeit. Es zeigt eindrucksvoll, wie energetische Sanierungen nicht nur funktional, sondern auch ästhetisch überzeugend umgesetzt werden können.

In der Kategorie Historische Sanierung wurde das Children’s Hospice Caritas in Polen prämiert. Die sensible Restaurierung unterstreicht die Wichtigkeit des behutsamen Umgangs mit historischer Bausubstanz und demonstriert, wie moderne Nutzungsanforderungen harmonisch in denkmalgeschützte Strukturen integriert werden können.

Der Kindergarten „Among Mountains“ in Slowenien wurde als beste Fassade eines Nichtwohnbaus ausgezeichnet. Die Gestaltung zeigt beispielhaft, wie Architektur auf ihre Umgebung reagieren und gleichzeitig die Bedürfnisse ihrer jungen Nutzerinnen und Nutzer berücksichtigen kann.

Österreichische Erfolge: Tradition trifft Innovation

Auch Österreich konnte bei den diesjährigen Awards punkten. In der Kategorie Besondere Struktur überzeugte die Vino.Take von Wolfgang und Ursula Kowald in Bad Loipersdorf. Die Juroren lobten insbesondere die erdigen Farbtöne, die sich harmonisch in die umgebende Landschaft einfügen, sowie die gelungene Kombination von Material, Farbe und Putzstruktur. Es ist erfreulich zu sehen, wie hier regionale Bautraditionen zeitgemäß interpretiert werden.

Ein zusätzliches Publikumsvoting, an dem europaweit rund 100.000 Architekturinteressierte teilnahmen, kürte das Schleusengebäude von Otto Wagner in Wien-Nussdorf zum Sieger in der Kategorie Historische Sanierung. Die Anerkennung dieses ikonischen Bauwerks unterstreicht die bleibende Relevanz der Wiener Moderne für die zeitgenössische Architektur.

Ebenfalls vom Publikum ausgezeichnet wurde das WAG23 in Kitzbühel in der Kategorie Besondere Struktur. Dieses Projekt zeigt eindrucksvoll, wie traditionelle Stadthaustypologien neu interpretiert und an moderne Wohnbedürfnisse angepasst werden können.

Nachhaltigkeit im Fokus

Ein roter Faden, der sich durch viele der prämierten Projekte zieht, ist der Fokus auf Nachhaltigkeit und energieeffizientes Bauen. Die Baumit Life Challenge Awards haben sich zu einer wichtigen Plattform entwickelt, die innovative Ansätze zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks von Gebäuden fördert. Dies ist angesichts der drängenden Klimakrise ein wichtiger Beitrag der Architekturbranche.

Kritische Reflexion

Bei aller Begeisterung für die prämierten Projekte darf jedoch nicht vergessen werden, dass Architekturwettbewerbe oft nur die Spitze des Eisbergs darstellen. Die wahre Herausforderung liegt darin, die hier gezeigten innovativen Ansätze in der breiten Baupraxis zu etablieren. Es wäre wünschenswert, wenn die Baumit Life Challenge Awards in Zukunft noch stärker Projekte in den Fokus rücken würden, die Lösungen für alltägliche bauliche Herausforderungen bieten.

Fazit und Ausblick

Die Baumit Life Challenge Awards 2024 haben einmal mehr gezeigt, dass Fassadengestaltung weit mehr ist als nur die äußere Hülle eines Gebäudes. Die prämierten Projekte verdeutlichen, wie Fassaden zur Energieeffizienz beitragen, den Charakter von Städten prägen und das Wohlbefinden der Nutzerinnen und Nutzer beeinflussen können.

Der Wettbewerb hat sich als wichtige Plattform für den Austausch von Ideen und die Präsentation innovativer Lösungen etabliert. Es bleibt spannend zu beobachten, wie sich die hier gezeigten Trends in den kommenden Jahren in der breiten Baupraxis niederschlagen werden. Die nächste Ausgabe der Baumit Life Challenge Awards wird zweifellos wieder neue Maßstäbe setzen und den Diskurs über die Zukunft der Architektur weiter bereichern.