Heftige Kritik am „Bau-Turbo“

In der aktuellen architektonischen Debatte in Deutschland steht der „Bau-Turbo“ im Mittelpunkt, eine Maßnahme, die durch den § 246e des Baugesetzbuches (BauGB) eingeführt werden soll. Dieser Artikel untersucht die wesentlichen Einwände gegen diese Neuerung und stellt die Initiatoren des Verbändeappells vor.

Der § 246e BauGB: Eine Übersicht

Der § 246e BauGB wurde als Reaktion auf die anhaltende Wohnungskrise vorgeschlagen. Ziel ist es, den Wohnungsbau durch weitreichende Abweichungen von bestehenden Bauvorschriften zu beschleunigen, insbesondere in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten. Während die Intention, Wohnraum schnell zu schaffen, verständlich ist, hat der Vorschlag weitreichende Bedenken hervorgerufen.

Hauptkritikpunkte

Fachliche Ungerechtfertigkeit und demokratische Bedenken: Kritiker sehen keine ausreichende Notwendigkeit für eine solche Regelung. Mit einem Bauüberhang von fast 900.000 Wohneinheiten besteht bereits erhebliches Potenzial für Wohnungsbau auf bestehendem Bauland. Die Herausforderungen liegen eher in steigenden Baukosten, Fachkräftemangel und anderen wirtschaftlichen Faktoren. Der § 246e BauGB würde etablierte Planungs- und Beteiligungsprozesse untergraben und die kommunale Selbstverwaltung einschränken.

Risiko der Bodenspekulation und mangelnde soziale Gerechtigkeit: Es fehlen Vorgaben zur Bezahlbarkeit oder zur Schaffung sozial geförderten Wohnraums. Der Paragraf könnte Bodenspekulation begünstigen und soziale Probleme verschärfen, indem er beispielsweise Möglichkeiten zur Mietpreisdämpfung umgeht.

Fehlentwicklungen in der Siedlungsstruktur und Umweltbelange: Der § 246e fördert potenziell unkontrolliertes Flächenwachstum, was dem Ziel des reduzierten Flächenverbrauchs entgegensteht. Die Priorisierung von Neubau gegenüber Bestandsbauten widerspricht auch den Klimazielen im Gebäudebereich.

Initiatoren des Verbändeappells

Eine breite Allianz aus Fachverbänden und Experten hat sich gegen die Einführung des § 246e BauGB ausgesprochen. Zu den Initiatoren gehören unter anderen:

Architects for Future
Bundesarchitektenkammer e.V.
Bund Deutscher Landschaftsarchitekten
Deutscher Mieterbund und andere.

Diese Organisationen vertreten verschiedene Interessen, von Umweltschutz bis hin zu städtebaulicher Planung, und bringen ein breites Spektrum an Expertise in die Diskussion ein.

Der „Bau-Turbo“ nach § 246e BauGB ist ein umstrittener Vorschlag, der die schnelle Schaffung von Wohnraum ermöglichen soll. Doch die Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf die Planungskultur, soziale Gerechtigkeit und Umweltbelange machen deutlich, dass eine sorgfältige Abwägung erforderlich ist. Die Initiatoren des Verbändeappells fordern einen konstruktiven Dialog und eine nachhaltigere Lösung für die Wohnungskrise. mehr

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