Baukunst-Sensations-Fund! Uralte Steinbrücke sprengt Mallorca-Geschichte
Depositphotos

Sensations-Fund! Uralte Steinbrücke sprengt Mallorca-Geschichte

02.09.2024
 / 
 / 
stu.ART

Steinerne Zeugen einer frühen Besiedlung: Archäologische Entdeckungen auf Mallorca

Die Baleareninsel Mallorca, bekannt für ihre Strände und Ferienhäuser, offenbart nun faszinierende Einblicke in ihre prähistorische Vergangenheit. Eine kürzlich durchgeführte Untersuchung in der Genovesa-Höhle, auch als Cova de’n Bessó bekannt, hat die Archäologinnen und Archäologen vor neue Rätsel gestellt. Im Fokus steht eine unterwasser liegende Steinbrücke, die nicht nur die bisherigen Annahmen über die Besiedlungsgeschichte der Insel in Frage stellt, sondern auch ein bemerkenswertes Beispiel früher Ingenieurskunst darstellt.

Die Forscherinnen und Forscher um Bogdan P. Onac von der University of South Florida haben mittels modernster Datierungsmethoden und einer detaillierten Analyse des Meeresspiegels neue Erkenntnisse gewonnen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Brücke deutlich älter ist als bisher angenommen – ein Fund, der die Timeline der menschlichen Präsenz auf Mallorca um fast 2000 Jahre in die Vergangenheit verschiebt.

Die 8,62 Meter lange und 0,5 Meter hohe Steinstruktur wurde offenbar von frühen Siedlerinnen und Siedlern errichtet, um einen unterirdischen See zu überqueren. Bemerkenswert ist nicht nur die Bauweise – große Kalksteinblöcke wurden ohne Mörtel aufeinandergeschichtet – sondern auch der Zeitpunkt der Konstruktion. Die Datierung mittels Uran-Thorium-Methode an Tropfsteinen und anderen Höhlenablagerungen ergab, dass die Brücke vor mindestens 5600 Jahren, möglicherweise sogar vor bis zu 6000 Jahren, erbaut wurde.

Diese Zeitspanne fällt in eine Phase rapiden Meeresspiegelanstiegs, gefolgt von einer kurzen Periode der Stabilität zwischen etwa 5964 und 5359 Jahren vor heute. In dieser Zeit bildeten sich charakteristische Kalkablagerungen an den Höhlenwänden, die als präzise Indikatoren für den damaligen Meeresspiegel dienen. Ein auffälliges Merkmal der Brücke – eine helle Verfärbung entlang ihrer Oberseite – korrespondiert exakt mit diesem ehemaligen Wasserspiegel.

Die Erkenntnis, dass die Brücke bereits vor ihrer Überflutung existierte, wirft ein neues Licht auf die Fähigkeiten und Bedürfnisse der frühen Inselbewohnerinnen und -bewohner. Sie mussten nicht nur in der Lage gewesen sein, die Insel zu erreichen, sondern verfügten offenbar auch über das technische Know-how, um komplexe Strukturen in einer herausfordernden Umgebung zu errichten.

Diese Entdeckung stellt bisherige Theorien zur Besiedlungsgeschichte Mallorcas auf den Kopf. Bislang ging man davon aus, dass die ersten Menschen erst vor etwa 4400 Jahren die Insel erreichten. Die neue Datierung der Brücke suggeriert jedoch eine menschliche Präsenz, die fast zwei Jahrtausende früher anzusetzen ist.

Die Implikationen dieser Funde reichen weit über die Grenzen Mallorcas hinaus. Sie werfen Fragen zur maritimen Mobilität und technologischen Entwicklung prähistorischer Gesellschaften im gesamten Mittelmeerraum auf. Wie konnten diese frühen Seefahrerinnen und Seefahrer die offene See überqueren? Welche Werkzeuge und Techniken standen ihnen zur Verfügung? Und was veranlasste sie, sich in den Höhlen Mallorcas niederzulassen?

Die Genovesa-Höhle selbst bietet weitere Hinweise auf die Aktivitäten ihrer frühen Bewohnerinnen und Bewohner. Neben der Brücke fanden Archäologinnen und Archäologen einen gepflasterten Weg, der zum ersten unterirdischen See führt, sowie eine zyklopische Steinmauer, die parallel zum Weg verläuft. Diese Strukturen zeugen von einer gezielten Erschließung und Nutzung der Höhle, möglicherweise als Schutz, Kultstätte oder zur Wassergewinnung.

Die Präzision, mit der die Brücke an den damaligen Wasserstand angepasst wurde, lässt auf ein tiefes Verständnis der lokalen Umweltbedingungen schließen. Die Erbauerinnen und Erbauer mussten die Schwankungen des Wasserspiegels genau beobachtet und ihre Konstruktion entsprechend geplant haben – eine beachtliche Leistung für eine Zeit, die weit vor der Entwicklung moderner Vermessungstechniken liegt.

Aus architektonischer Sicht ist die Brücke ein Meisterwerk frühzeitlicher Ingenieurskunst. Die Verwendung lokaler Materialien, die Anpassung an die natürliche Umgebung und die Langlebigkeit der Konstruktion – immerhin hat sie Jahrtausende überdauert – sind Prinzipien, die auch in der modernen nachhaltigen Architektur hochgeschätzt werden.

Diese Entdeckung mahnt uns, unsere Vorstellungen von prähistorischen Gesellschaften zu überdenken. Sie waren offensichtlich zu weit komplexeren Leistungen fähig, als wir bisher annahmen. Gleichzeitig erinnert uns der Fund daran, wie fragil archäologische Zeugnisse sein können. Nur durch den Schutz vor späteren menschlichen Eingriffen und die konservierende Wirkung des Wassers konnte die Brücke die Jahrtausende überdauern.

Für Mallorca bedeutet diese Entdeckung eine Neubewertung seiner kulturellen Identität. Die Insel kann nun auf eine noch reichere und ältere Geschichte zurückblicken, die weit über ihre Rolle als modernes Touristenziel hinausgeht. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Fund das Bewusstsein für den Schutz und die Erforschung archäologischer Stätten auf der Insel weiter schärft.

Die Steinbrücke in der Genovesa-Höhle ist mehr als nur ein archäologischer Fund – sie ist ein Fenster in eine längst vergangene Zeit, das uns Einblicke in die Fähigkeiten, Bedürfnisse und Lebenswelten unserer Vorfahren gewährt. Sie mahnt uns, unsere Vorstellungen von der Vergangenheit stets kritisch zu hinterfragen und offen für neue Erkenntnisse zu bleiben. Denn wie diese Entdeckung zeigt, können selbst die bestehenden Theorien durch neue Funde grundlegend erschüttert werden.