Das Ende einer Vision
Was als revolutionärer Ansatz zur Vereinfachung des Bauens begann, endete in einem bemerkenswerten juristischen Debakel. Der Gebäudetyp E, vom Bundeskabinett am 6. November 2024 als Heilsbringer der deutschen Bauwirtschaft präsentiert, liegt nun in Trümmern. Die Richterinnen und Richter des Bundesgerichtshofs haben in einer außergewöhnlich deutlichen Stellungnahme dem Gesetzentwurf die rote Karte gezeigt.
Juristische Schelte von höchster Stelle
Der 7. Zivilsenat des BGH unter Vorsitz von Rüdiger Pamp formuliert seine Kritik mit einer Klarheit, die in der Juristerei ihresgleichen sucht. „Zur Herbeiführung seines Ziels nicht geeignet“ und „mit dem Demokratieprinzip nicht zu vereinbaren“ – deutlicher können Richterinnen und Richter kaum werden. Als Architekt mit vier Jahrzehnten Praxiserfahrung muss ich gestehen: Selten hat eine juristische Analyse so präzise den Nagel auf den Kopf getroffen.
Die Crux mit der Deregulierung
Der Gesetzentwurf verfolgte ursprünglich noble Ziele: kostengünstigeres, innovativeres und einfacheres Bauen. Doch wie so oft steckt der Teufel im Detail. Die geplante Abkehr von DIN-Normen und den anerkannten Regeln der Technik öffnet nicht etwa Türen für kreative Lösungen, sondern schafft ein rechtliches Vakuum, das die Baupraxis vor unlösbare Probleme stellt.
Praxisferne Visionen
Als praktizierender Architekt sehe ich täglich, wie essentiell klare Regelungen für erfolgreiche Bauprojekte sind. Die vorgeschlagene Deregulierung gleicht dem Versuch, ein Haus ohne statische Berechnungen zu errichten – theoretisch möglich, praktisch fatal. Die BGH-Richterinnen und Richter bestätigen diese Einschätzung mit ihrem Hinweis auf die „typischerweise gegebene Leistungskette“ im Bausektor.
Qualität braucht Standards
Besonders kritisch sehe ich die Vernachlässigung des Mangelbegriffs im Werkvertragsrecht. Wer jahrelang Bauprojekte betreut hat, weiß: Ohne klare Definition von Qualitätsstandards multiplizieren sich Konflikte exponentiell. Die BGH-Richter warnen zu Recht vor einem „Schnellverfahren ohne hinreichende fachkundige Begleitung“.
Innovation versus Sicherheit
Der Gebäudetyp E verkennt einen fundamentalen Aspekt des Bauens: Innovation entsteht nicht durch die Abschaffung von Standards, sondern durch ihre kreative Interpretation. Die BGH-Richter betonen treffend, dass innovatives Bauen seit 1900 stets möglich war – vorausgesetzt, die Vertragsparteien verständigten sich klar über neue Bauweisen.
Fazit: Zurück zum Reißbrett
Der Gebäudetyp E reiht sich ein in die lange Liste gut gemeinter, aber schlecht durchdachter Reformversuche. Statt übereilter Deregulierung braucht die Baubranche durchdachte Modernisierung bestehender Normen. Die eindeutige Positionierung des BGH bietet die Chance für einen Neuanfang – diesmal hoffentlich mit mehr Augenmaß und weniger Aktionismus.