
Bunkerwandel: Vom Kriegsrelikt zum Luxusobjekt – und wieder zurück?
In den vergangenen zwei Jahrzehnten erlebten Deutschlands Hochbunker eine bemerkenswerte Transformation. Diese massiven Betonkolosse, einst Symbole des Kriegsschreckens, mutierten zu begehrten Luxusimmobilien. Doch nun zeichnet sich eine überraschende Wende ab: Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) hat den Verkauf von Hochbunkern an private Investoren ausgesetzt. Ein Schritt, der nicht nur den Immobilienmarkt, sondern auch die Stadtentwicklung und den Zivilschutz tangiert.
Vom Schutzraum zum Penthouse
Die Geschichte der Hochbunker ist geprägt von Wandel. Ursprünglich als Schutzräume während des Zweiten Weltkriegs konzipiert, fristeten viele dieser Bauten nach Kriegsende ein Schattendasein. Doch mit dem Beginn des neuen Jahrtausends setzte ein Umdenkprozess ein. Findige Architekten und Investoren erkannten das Potenzial dieser robusten Strukturen.
In den vergangenen 20 Jahren wechselten rund 320 Hochbunker den Besitzer. Die BImA, verantwortlich für die Verwaltung von Bundesliegenschaften, veräußerte diese historischen Bauten an private Käufer. Was folgte, war eine architektonische Metamorphose: Aus düsteren Schutzräumen entstanden lichtdurchflutete Lofts, aus kargen Betonwänden wurden Designerdomizile.
Der „Lofthouse-Bunker“ in Oberhausen-Holten steht exemplarisch für diese Entwicklung. Mit bodentiefen Fenstern, verglasten Balkonen und einem imposanten Penthouse mutet er wie ein Neubau an. Nur die charakteristische Kastenform verrät seinen militärischen Ursprung. Christian Trimborn von CTImmobilien erklärt die Faszination: „Es ist gerade diese Verbindung von historischer Bedeutung und moderner Verwandlung, die Menschen an dieser Immobilie reizt.“
Herausforderungen und Chancen
Die Umwandlung eines Hochbunkers in eine Wohnimmobilie ist kein leichtes Unterfangen. Architekt Björn Liese, der den Frieda-Bunker in Hamburg-Ottensen umgestaltete, berichtet von zahlreichen Hürden: „Abgesehen davon, dass man im Vergleich etwa zu Neubauten bei Bunkern auf wenig Erfahrungswerte zurückgreifen kann, gibt es viele Herausforderungen, die natürlich auch finanziell zu Buche schlagen.“
Von der Entkernung über das Schneiden neuer Fensteröffnungen bis hin zur Installation einer energieeffizienten Gebäudehülle – die baulichen Maßnahmen sind komplex und kostspielig. Hinzu kommen rechtliche Aspekte wie die Umwidmung des Gebäudes, Abstimmungen mit Nachbarn und denkmalschutzrechtliche Fragen.
Doch gerade diese Herausforderungen machen Bunkerprojekte für viele Architektinnen und Architekten reizvoll. Sie bieten die Möglichkeit, Geschichte und Moderne zu verbinden, massive Strukturen in lichtdurchflutete Wohnräume zu verwandeln und dabei den Charakter des Gebäudes zu bewahren.
Luxus mit historischem Bewusstsein
Die entstandenen Wohnungen sind meist im Luxussegment angesiedelt. Im Oberhausener „Lofthouse-Bunker“ etwa kostet die kleinste Einheit mit 88 Quadratmetern rund 489.000 Euro, die größte mit 171 Quadratmetern nähert sich der Million-Euro-Marke. Zur Ausstattung gehören Eichenparkett, freistehende Badewannen und E-Bike-Ladestationen.
Doch es geht nicht nur um Luxus. Viele Projekte legen Wert darauf, die Geschichte des Gebäudes erlebbar zu machen. Im Frieda-Bunker in Hamburg beispielsweise sind überall Spuren der Umwandlung und Übergänge zwischen Alt und Neu sichtbar. „Wir wollten aus Verantwortung gegenüber diesem Kapitel der deutschen Geschichte unbedingt auch den Charakter des Gebäudes wahren“, betont Liese.
Kulturelle Nutzung und Wohnen
Nicht alle umgebauten Bunker dienen ausschließlich als Wohnraum. Der Bilker Bunker in Düsseldorf etwa wurde zu einer Kulturstätte mit fünf luxuriösen Eigentumswohnungen auf dem Dach umgebaut. Andreas Knapp, Geschäftsführer des Projektentwicklers Küssdenfrosch, erklärt: „Uns ging es nicht darum, hochpreisigen Wohnraum zu schaffen. Ziel war es, mit den Wohnungen den kulturellen Betrieb im Rest des Gebäudes gegenzufinanzieren.“
Paradigmenwechsel durch den Ukrainekrieg
Die Umnutzung von Hochbunkern schien eine Win-win-Situation: Historische Bausubstanz wurde erhalten, neuer Wohnraum geschaffen und oft auch kulturelle Nutzungen ermöglicht. Doch der Krieg in der Ukraine hat zu einem Umdenken geführt. Die BImA hat die Verwertung von Hochbunkern ausgesetzt. Aktuell stehen keine weiteren Bunker zum Verkauf.
Dieser Schritt reflektiert ein gesteigertes Sicherheitsbewusstsein. Die Bundesregierung sieht sich veranlasst, die Zivilschutzkapazitäten zu überdenken. Hochbunker könnten wieder ihre ursprüngliche Funktion als Schutzräume erfüllen.
Fazit und Ausblick
Die Aussetzung des Bunkerverkaufs markiert das vorläufige Ende einer faszinierenden Entwicklung in der deutschen Architektur- und Immobilienlandschaft. Sie wirft Fragen auf: Wie gehen wir künftig mit diesen historischen Bauten um? Welche Rolle spielen sie im modernen Zivilschutz? Und wie lässt sich der Erhalt dieser Bauwerke finanzieren, wenn eine kommerzielle Nutzung ausgeschlossen ist?
Die Antworten auf diese Fragen werden nicht nur die Zukunft der Hochbunker bestimmen, sondern auch Einfluss auf Stadtentwicklung, Denkmalschutz und Sicherheitspolitik haben. Es bleibt abzuwarten, ob der aktuelle Paradigmenwechsel von Dauer sein wird oder ob die Bunker in Zukunft vielleicht eine Doppelrolle als Schutzraum und Wohnraum einnehmen werden.
Eines ist sicher: Die Geschichte der deutschen Hochbunker ist noch lange nicht zu Ende geschrieben. Sie bleiben faszinierende Zeugen der Vergangenheit und Projektionsflächen für die Zukunft – sei es als Luxuswohnungen, Kulturstätten oder wieder als Schutzräume.

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