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Zwischen Nostalgie und Fortschritt: Der Abriss der alten WU in Wien
Die geplante Neugestaltung des Standorts der alten Wirtschaftsuniversität Wien (WU) polarisiert. Ein Neubau soll Modernität und Effizienz vereinen, doch Kritiker sehen im Abriss einen Verlust von Ressourcen und Geschichte. Die Diskussion dreht sich um mehr als Architektur – sie berührt Fragen der Nachhaltigkeit, des Denkmalschutzes und der Stadtplanung.
Ein Gebäude als Spiegel seiner Zeit
Die alte WU in Wien war bei ihrer Fertigstellung 1982 ein Meilenstein der modernen Universitätsarchitektur. Entworfen von Kurt Hlaweniczka, verkörpert sie mit ihren Betonfassaden, offenen Leitungen und großzügigen Gemeinschaftsräumen den Zeitgeist der 1980er Jahre. Doch nach nur 31 Jahren Nutzung zog die WU 2013 in den neu errichteten Campus am Prater um. Seitdem steht das alte Gebäude vor einer ungewissen Zukunft.
Der geplante Abriss im Jahr 2027 markiert nicht nur das Ende eines architektonischen Kapitels, sondern wirft auch die Frage auf, ob Sanierung und Umbau nicht sinnvollere Alternativen wären. Stimmen wie die des Architekten Martin Hess betonen die räumlichen Qualitäten des Baus und fordern kreative Lösungen, um den Bestand zu erhalten.
Nachhaltigkeit versus Neubau
Ein zentraler Kritikpunkt ist die Ressourcenverschwendung, die mit dem Abriss einhergeht. In der Fachwelt wird immer wieder auf die sogenannte „graue Energie“ hingewiesen – die Energie, die in den Bau eines Gebäudes investiert wurde. Diese geht mit jedem Abriss unwiederbringlich verloren.
„Ein Abriss verschleudert wertvolle Ressourcen“, erklärt Architekturhistoriker Barnabas Calder. Zudem entstünden beim Abriss zehntausende Tonnen CO₂-Emissionen. Befürworter des Neubaus argumentieren hingegen mit der besseren Energieeffizienz moderner Gebäude, die langfristig Einsparungen versprechen. Doch hier stellt sich die Frage: Wie lange dauert es, bis die CO₂-Bilanz eines Neubaus die Verluste des Abrisses ausgleicht?
Denkmal oder Bausünde?
Die architektonische Bewertung der alten WU ist alles andere als einheitlich. Für die einen ist sie ein sperriges Relikt der Nachkriegsmoderne, für andere ein wertvolles Beispiel ihrer Zeit. Architekturexperte Lukas Vejnik sieht Potenzial: „Nutzerinnen und Nutzer solcher Gebäude schätzen oft die robusten Strukturen und die großzügigen Raumkonzepte.“
Doch die Nähe zur Ästhetik des Brutalismus erschwert die Wahrnehmung als schützenswertes Kulturgut. Die geringe zeitliche Distanz – das Gebäude ist erst 45 Jahre alt – verkompliziert zusätzlich eine Aufnahme in den Denkmalschutz. Trotzdem bleibt die Frage, ob die WU nicht mit einem umsichtigen Umbau zeitgemäß nutzbar gemacht werden könnte.
Die politische Dimension
Das Vorhaben, die alte WU durch einen modernen Bildungscampus zu ersetzen, ist Teil eines größeren städtebaulichen Plans. Der neue Campus Althangrund soll mit einer Fläche von über 150.000 Quadratmetern Platz für die Universität Wien und die Universität für Bodenkultur bieten. Die Projektverantwortlichen betonen die klimafreundlichen Ansätze des Neubaus, darunter Recycling von Materialien und eine nachhaltige Bauweise.
Doch Kritiker wie das Architekturmagazin GAT werfen den Verantwortlichen vor, Greenwashing zu betreiben. „Der geplante Abriss widerspricht den Prinzipien einer wirklich nachhaltigen Stadtplanung“, heißt es in einem Kommentar. Auch die eingeschränkte öffentliche Diskussion wird bemängelt – die Pläne wurden im März 2024 vorgestellt, und bereits im Sommer soll der städtebauliche Wettbewerb beginnen.
Lernen aus der Vergangenheit
Das Alte Allgemeine Krankenhaus (AKH) in Wien zeigt, wie Umbau statt Abriss funktionieren kann. Nach einer umfassenden Sanierung wurde das ehemalige Krankenhaus in einen lebendigen Universitätscampus verwandelt. Auch andere europäische Beispiele belegen, dass selbst Gebäude mit problematischen baulichen Eigenschaften erfolgreich revitalisiert werden können.
Eine ähnliche Vision für die alte WU hätte das Potenzial, nicht nur die Ressourcen des Gebäudes zu nutzen, sondern auch ein Vorzeigeprojekt für nachhaltige Architektur zu schaffen. Architektin Carina Sacher regt an, die alte WU als „Raumschwamm“ für flexible Nutzungen zu erhalten – von Bildungseinrichtungen bis hin zu kulturellen Projekten.
Fazit: Ein Verlust, der vermeidbar wäre?
Der geplante Abriss der alten WU wirft grundlegende Fragen zur Verantwortung im Bauwesen auf. Während Befürworter den Neubau als notwendigen Schritt für moderne Bildungsinfrastruktur sehen, betonen Kritiker die Bedeutung von Nachhaltigkeit und Bestandserhalt. Die Debatte steht exemplarisch für den Konflikt zwischen Fortschritt und Ressourcenschonung.
Sollte die Stadt Wien nicht als Vorreiterin einer klimabewussten Planungskultur agieren? Vielleicht liegt die Antwort in einem Mittelweg: einem mutigen Umbau, der die Vergangenheit respektiert und die Zukunft nachhaltig gestaltet.
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