Baukunst - Münchens Konzerthaus-Debakel: Wenn Sparsamkeit zur Blamage wird
©Cukrowicz Nachbaur Architekten ZT GmbH

Münchens Konzerthaus-Debakel: Wenn Sparsamkeit zur Blamage wird

14.10.2024
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Ignatz Wrobel

Münchens neuer Konzertsaal: Wenn Sparsamkeit zur Blamage wird

In der bayerischen Landeshauptstadt München tobt seit Jahren eine Debatte um den Bau eines neuen Konzerthauses. Was einst als ambitioniertes Kulturprojekt begann, droht nun zu einer architektonischen und politischen Farce zu verkommen. Die jüngste Entscheidung der Staatsregierung, das Projekt drastisch zu verkleinern und zu verbilligen, wirft die Frage auf: Ist günstiger wirklich besser?

Von der Vision zur Sparversion

Ursprünglich war das neue Konzerthaus als Leuchtturmprojekt geplant, das Münchens Position als Kulturmetropole stärken sollte. Der preisgekrönte Entwurf des Architekturbüros Cukrowicz Nachbaur sah ein komplexes Ensemble vor, das weit mehr als nur einen Konzertsaal beherbergen sollte. Doch nun, nach jahrelanger Planung und einer Kostenexplosion von ursprünglich 370 Millionen auf zuletzt 1,3 Milliarden Euro, zieht Ministerpräsident Markus Söderdie Reißleine.

Die neue Devise lautet: kleiner, billiger, später. Statt eines vielseitigen Kulturzentrums soll nun lediglich ein einzelner Konzertsaal entstehen – zum halben Preis und mit einer Fertigstellung erst im Jahr 2036. Ein Durchbruch, wie es aus der Staatskanzlei heißt, oder doch eher eine Blamage?

Die Kosten des Sparens

Paradoxerweise könnte die vermeintliche Sparmaßnahme den Steuerzahler teuer zu stehen kommen. Bereits jetzt wurden rund 30 Millionen Euro für Planungen ausgegeben, die nun obsolet sind. Der Architekt Anton Nachbaur-Sturm spricht von „100.000 Stunden Planungszeit“ allein auf Seiten seines Büros. Hinzu kommen die Kosten für Tragwerksplaner, Akustiker und andere Spezialisten.

Die Verzögerungen und das ständige Umplanen treiben die Kosten weiter in die Höhe. Wie der Architekt treffend bemerkt: „Am Bau ist Zeit Geld.“ Ein Grundsatz, der in der politischen Entscheidungsfindung offenbar keine Rolle spielte.

Kulturelle Konsequenzen

Die Reduzierung des Projekts auf einen bloßen Konzertsaal wirft auch kulturpolitische Fragen auf. München, das in der Musik noch zur Weltspitze gehört, droht den Anschluss zu verlieren. Ein modernes, multifunktionales Konzerthaus hätte nicht nur akustische Exzellenz geboten, sondern auch Raum für Innovation und künstlerische Entfaltung.

Nun besteht die Gefahr, dass München mit einem Minimalkompromiss Vorlieb nehmen muss, der weder den Ansprüchen einer Kulturmetropole genügt noch zukunftsfähig ist. Die Argumentation, man spare in Krisenzeiten für die Allgemeinheit, erscheint angesichts der bereits versenkten Millionen geradezu zynisch.

Nachhaltigkeit als Feigenblatt?

Um die Verkleinerung des Projekts schmackhaft zu machen, wird nun verstärkt auf Nachhaltigkeit gesetzt. Die Rede ist von „hängenden Gärten“ und einer grünen Fassade. Doch Expertinnen und Experten warnen: Solche Lösungen sind entweder kostspielig im Unterhalt oder reine Augenwischerei. Die Gefahr besteht, dass am Ende ein grün angestrichener Kompromissbau steht, der weder ökologisch noch architektonisch überzeugt.

Lehren für die Zukunft

Der Fall des Münchner Konzerthauses ist symptomatisch für die Probleme öffentlicher Bauvorhaben in Deutschland. Politische Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen scheinen überfordert mit der Komplexität moderner Architekturprojekte. Es mangelt an Visionen, aber auch an der Fähigkeit, Großprojekte effizient zu steuern.

Die Idee, einen „Totalunternehmer“ mit der Planung und Ausführung zu beauftragen, mag verlockend klingen. Doch sie birgt die Gefahr, dass am Ende Kosteneffizienz über architektonische Qualität und kulturellen Mehrwert gestellt wird.

Fazit: Mut statt Mangelverwaltung

München steht an einem Scheideweg. Die Entscheidung für oder gegen ein ambitioniertes Konzerthaus wird die kulturelle Landschaft der Stadt auf Jahrzehnte prägen. Statt einer Mangelverwaltung braucht es Mut zu einer echten Vision. Ein Konzertsaal von Weltrang könnte nicht nur ein akustisches Juwel sein, sondern auch ein Statement für die Bedeutung von Kultur in unserer Gesellschaft.

Die Verantwortlichen sollten sich bewusst sein: Wahre Nachhaltigkeit zeigt sich nicht in oberflächlicher Begrünung, sondern in der Schaffung von Räumen, die über Generationen inspirieren und begeistern. München hat die Chance, ein architektonisches und kulturelles Zeichen zu setzen. Es wäre fatal, diese Chance aus falsch verstandener Sparsamkeit zu verspielen.