Baukunst-Turbo ins Nichts: Das gefährliche Spiel mit dem Wohnungsbau
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Turbo ins Nichts: Das gefährliche Spiel mit dem Wohnungsbau

15.12.2024
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stu.ART

Turbo ins Leere – Die Illusion der beschleunigten Stadtentwicklung

Der Bau-Turbo soll Deutschlands Wohnungskrise lösen. So zumindest das Versprechen von Bauministerin Klara Geywitz. Doch was als Befreiungsschlag gedacht war, droht zum städtebaulichen Bumerang zu werden. Der neue Paragraf 246e des Baugesetzbuches verspricht zwar Geschwindigkeit, opfert dafür aber bewährte Qualitätsstandards und demokratische Beteiligungsprozesse.

Demokratie braucht Zeit – auch beim Bauen

Als Architekten wissen wir: Gute Architektur entsteht nicht im Sprint. Der geplante Turbo-Paragraf will Bebauungsplanverfahren in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt drastisch verkürzen. Die Folgen wären gravierend: Umweltverbände verlieren Mitspracherechte, Bürgerbeteiligung wird marginalisiert, städtebauliche Standards werden aufgeweicht.

Die Deutsche Umwelthilfe kritisiert zu Recht die überhastete Einführung des Gesetzes. Mitten in der Ferienzeit, mit minimaler Vorbereitungszeit, soll eine fundamentale Änderung des Baurechts durchgepeitscht werden. Das erinnert fatal an die überstürzte Einführung der Gebäudeklasse E – ein weiteres Beispiel gut gemeinter, aber schlecht durchdachter Baupolitik.

Qualität braucht Sorgfalt

Die Bundesarchitektenkammer warnt eindringlich vor den Folgen dieser Schnellschuss-Politik. Statt nachhaltiger Stadtentwicklung droht nun eine Welle hastiger Bauprojekte ohne ausreichende Prüfung ihrer städtebaulichen und ökologischen Auswirkungen. Der Traum vom schnellen Wohnraum könnte zum Albtraum für kommende Generationen werden.

Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft verteidigt zwar den Bau-Turbo, übersieht dabei aber zentrale Aspekte: Nicht die Länge der Genehmigungsverfahren ist das Hauptproblem des Wohnungsbaus, sondern fehlende Grundstücke, steigende Baukosten und der Mangel an qualifizierten Fachkräften.

Alternativen statt Aktionismus

Was wir stattdessen brauchen, ist eine durchdachte Reform des Baurechts, die Qualität und Geschwindigkeit intelligent verbindet. Dazu gehören:

  • Digitalisierung der Genehmigungsverfahren
  • Stärkung der kommunalen Bauämter
  • Förderung innovativer Wohnkonzepte
  • Nachhaltige Nachverdichtung im Bestand
  • Vereinfachung ohne Qualitätsverlust

Der Weg aus der Wohnungskrise führt nicht über die Demontage bewährter Planungsprozesse. Vielmehr brauchen wir einen klugen Mix aus Beschleunigung und Qualitätssicherung. Der aktuelle Gesetzentwurf leistet dies nicht – er ist bestenfalls gut gemeint, schlimmstenfalls kontraproduktiv.

Fazit: Der Preis ist zu hoch

Die geplante Novelle erinnert an einen Sportwagen ohne Bremsen: viel PS, wenig Kontrolle. Statt eines echten Turbos für den Wohnungsbau droht ein gefährlicher Irrweg. Die Bundesregierung wäre gut beraten, den Gesetzentwurf grundlegend zu überarbeiten. Denn eines ist klar: Schneller bauen ja – aber nicht um jeden Preis.